BAs für die USA – Haftungsrisiko minimieren

Worauf es bei der Gestaltung von Betriebsanleitungen ankommt, um das  Produkthaftungsrisiko in den USA zu mindern ist die zentrale Frage des nachfolgenden Artikels. Was können wir in der Technischen Dokumentation tun, um das Risiko einzugrenzen?

Rechtliche Voraussetzungen
Während in Europa die Gerichte nach Fachspezialisierung aufgeteilt sind, gibt es in den USA ein vielfältiges Gerichtssystem aus einzelstaatlichen Gerichten, Bundesgerichten (District Courts), inklusive dem Obersten Bundesgerichtshof (Supreme Court) als letzter Instanz nur für Bundesrecht. Zusätzlich hat jeder Staat seinen eigenen obersten Gerichtshof als letzte Instanz.
Wer also in die USA exportiert, muss das Recht von 52 Einzelstaaten berücksichtigen. Ein eigentliches Produkthaftungsgesetz gibt es nicht. Haftungsansprüche werden einzelstaatlich geregelt, da die Gesetze von Staat zu Staat unterschiedlich sein können. Hinzu kommen noch, wenn ein Unfall passiert, lokale Vorschriften (local ordinances), Vorschriften von Berufsgenossenschaften und möglicherweise noch US-Bundesvorschriften. Es ist daher fast unmöglich, alle Risiken 100%-ig abzudecken.

Betriebsanleitung und Warnschilder – integraler Bestandteil eines Produkts
“Made in Switzerland” hat weltweit einen besonderen Ruf und steht für Qualität und Zuverlässigkeit. Wie sieht es aber mit den Anleitungen (Operating Manuals, Instruction Manuals etc.) für die USA aus?

Der Anwalt eines Klägers interessiert sich zu Beginn eines Falles in der Regel nicht so sehr dafür, ob Normen und Vorschriften eingehalten werden, denn diese Beweisführung mit Sachverständigen ist aufwändig. Er sucht meist gleich nach einem Schwachpunkt, z. B. nach den Unzulänglichkeiten in europäischen Anleitungen.
Eine besondere Wichtigkeit nehmen die sogenannten Instruktionsrisiken ein – jene Risiken im Zusammenhang mit Betriebsanleitungen, Warnungen und allen sonstigen Äusserungen des Herstellers. Die Instruktionsrisiken sind in den USA so hoch wie in keinem anderen Land: Produktions- und Konstruktionsfehler machen dabei nur etwa 30% der Produkthaftungsfälle aus, dagegen fallen die Instruktionsrisiken mit etwa 44% stärker ins Gewicht. Ein Fehler in der Betriebsanleitung macht das gelieferte Produkt insgesamt fehlerhaft.

Zielgruppenanalyse – zentrale Voraussetzung für eine sichere BA
Bei der Verwendung eines Produkts ist das Risiko erheblich von Wissen und Können der Anwendergruppe abhängig. Daher unterscheidet die IEC 82079-1:2012 grundsätzlich zwischen Verbrauchern („consumer“) und Fachkräften („skilled person“). Aber auch weitere Eigenschaften wirken sich auf Inhalt und Gestaltung von Betriebsanleitungen aus. Vor allem Einschränkungen des Sehvermögens und das Sprachverständnis müssen unter anderem berücksichtigt werden. Solide Kenntnisse von Maschinen und der Wissensstand der Anwender sind damit von zentraler Bedeutung.

Quelle: ANSI Z536.6

  • Wie gehen die Anwender mit der Maschine um?
  • Wie sieht das Arbeitsumfeld beim Arbeiten mit der Maschine aus, welche Risiken können daraus entstehen?
  • Welche Kenntnisse und Fähigkeiten können bei den Anwendern vorausgesetzt   werden, welche nicht?
  • Welche Ausbildung/Kompetenz kann angenommen werden?

Eine Anwendergruppenanalyse drängt sich bereits vor der Risikobeurteilung auf, denn die Anwender müssen für eine solide Risikobeurteilung bekannt sein. Am besten man erstellt diese Analyse im Team, z. B. mit Vertrieb, Service und Redakteuren, so schöpft man aus der grösst möglichen Erfahrung. Daraus ergeben sich dann klare Massnahmen für die Erstellung von Betriebsanleitungen:

  • Berücksichtigung des Ausbildungsstandards
  • Einfacher Informationszugriff durch gutes Inhalts- und Stichwortverzeichnis
  • Klare Anweisungen nach dem Schritt-für-Schritt-Prinzip
  • Einfache, reduzierte Abbildungen verwenden
  • Fachwörter und Abkürzungen vermeiden

Risikobeurteilung
Eine solide Risikobeurteilung ist die Basis einer sicheren Betriebsanleitung. Die Identifikation und Bewertung der sogenannten Restgefahren ist dabei das angestrebte Ergebnis, d. h. jene Risiken, die sich konstruktiv mit technisch sinnvollen und wirtschaftlich vertretbaren Mitteln nicht weiter reduzieren lassen. Der US-amerikanische Standard für die Risikobeurteilung ist die ANSI B11.0 „Safety of Machinery; General Requirements and Risk Assessment“.

Spezifische Anforderungen
US-Standards beinhalten teilweise konkrete Hinweise und formulierte Texte, die in den Betriebsanleitungen aufgeführt werden müssen.
Um dies sicherzustellen, müssen die entsprechenden Standards recherchiert, beschafft und gesichtet werden. Es gibt zahlreiche Standards von Underwriters Laboratories (UL) für bestimmte Maschinen und Anlagen, vergleichbar mit den europäischen C-Normen über die Sicherheit bestimmter Maschinengattungen.

Eine Anleitung für alle Märkte
Dass Maschinen für den US-Markt „im Wesentlichen“ so sind wie die Maschinen für andere Märkte ist ein verbreiteter Irrtum: Schon eine abweichende Versorgungsspannung kann an verschiedenen Stellen einer Betriebsanleitung, z. B. beim Anschluss, der Störungsbehebung und der Reparatur zu erheblichen Änderungen führen. Die Anleitung eines Produkts für den US-Markt muss 1:1 mit dem Produkt übereinstimmen  und muss somit in jedem Fall angepasst werden.

Verständlichkeit
Der Verständlichkeit und Ausführlichkeit von Anleitungen kommt eine besondere Bedeutung zu. Wenn aufgrund mangelhafter Verständlichkeit eine Manipulation nicht oder falsch ausgeführt wird und ein Unfall die Folge ist, so ist die mangelhafte Verständlichkeit der Betriebsanleitung mitursächlich.
Grundsätzlich darf mangelhafte Verständlichkeit nicht durch Warnhinweise ausgeglichen werden. Für den US-Markt muss eine Betriebsanleitung also vor allem eine hohe Grundverständlichkeit aufweisen.

Kontakt & Information:
Peter Rudnicki
Geschäftsführer
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